Maschinenbau der Zukunft: Wie gelingt der Paradigmenwechsel?
Innovation rauf, Kosten runter – KI in Simulation, Inbetriebnahme, Betrieb und Wartung
Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist. Was Henry Ford mit der konsequenten Entwicklung der Fließbandtechnik im Automobilbau begann, lässt sich im weiteren Sinne auch Richard E. Morley, dem Entwickler der SPS, zuschreiben. Er entwickelte im Jahr 1969 die Modicon 084. Dieses Logiksystem basiert auf einem Halbleiter und kann als Ursprungstechnologie der heute etablierten speicherprogrammierbaren Steuerung (SPS) verstanden werden. Inzwischen fertigen mehr als 300 Firmen weltweit für nahezu alle Einsatzzwecke SPS.
Für OEM, Maschinenbauer oder Unternehmen in der Fertigungs- und Automatisierungstechnik sind solche Technologiesprünge von jeher Chance und Herausforderung zugleich: Dank SPS-Integration sind Produktionsanlagen trotz zunehmender Technologiedichte besser beherrschbar – Monteure können von jedem beliebigen Ort in ein System eingreifen, mittels Fernwartung bzw. -diagnostik arbeiten und beispielsweise Fehler beseitigen.
Ein kritischer Punkt bleibt: die Inbetriebnahme (IBN) und das Anfahren von Fertigungsanlagen nach Maschinenstopp. Szenarien, die nicht selten mit Kosten von tausenden Euro pro Minute zu Buche schlagen und die Total Cost of Ownership in die Höhe treiben.
Automation damals und heute
Wissenschaftler wiesen bereits vor Jahren auf die Inbetriebnahme als aufwandskritischen Prozess im Lebenszyklus von Produktionsanlagen hin. Vor allem die Inbetriebnahme der Steuerungstechnik gestalte sich sehr aufwändig, was u. a. auf Softwarefehler in der Anlagensteuerung zurückzuführen sei. Bereits damals sah man Chancen durch so genannte Hardware in the Loop (HiL)-Simulationen, Fehler frühzeitig zu entdecken und zu beseitigen.
Die F.EE-Unternehmensgruppe aus dem oberpfälzischen Neunburg vorm Wald zählt zu den Marktführern in der Fertigungs- und Automatisierungstechnik und befasst sich seit rund 20 Jahren mit dem Thema SPS-Simulation und Prozessoptimierung. Es war deshalb nur konsequent, dass Mitarbeitende aus Konstruktion, Elektrik bzw. Mechanik sich dem kritischen Punkt der Inbetriebnahme widmen. Die Ingenieure wollten Möglichkeiten zum Absichern von Steuerungssoftware schaffen, kritische Betriebszustände risikofrei testen sowie komplexe Abläufe in einer frühen Projektphase simulieren. Parallel wollte man Steuer- und Regelstrategien schon in der Engineering-Phase validieren und optimieren. Entstanden ist das Simulationstool fe.screen-sim, das auf dem Prinzip des digitalen Zwillings basiert und mit dem die Inbetriebnahme virtuell läuft (VIBN).
Virtuellen Wandel wagen: Was fe.screen-sim leistet
Mit fe.screen-sim wird das digitale Abbild einer Anlage erstellt – und das weit vor deren physischer Existenz. Zum Einsatz kommen alle Daten aus Konstruktion, Elektrik und Mechanik. Der Check aller Funktionen und Umgebungsparameter ist damit bereits vor Fertigstellung der physischen Anlage machbar. Wie bei Henry Ford zählt auch für F.EE die Praxis: Das Simulationstool ist aktuell das einzige multi-user-fähige und löst damit Querabhängigkeiten im Konstruktionsprozess auf – sowohl Konstrukteure als auch Programmierer arbeiten gleichzeitig am Modell – ohne Umschalten zwischen Simulations- und Bearbeitungsmodus.
Möglich wird das durch eine Architektur, die im Wesentlichen aus einer multi-user-fähigen Core-Client-Anwendung besteht, wobei der Client das Bedieninterface darstellt und sich über Netzwerk zum Core verbindet. Im Core laufen die Berechnungen für das Simulationsmodell inklusive aufwändiger physikalischer Berechnungen, wie etwa die zur Beschleunigung oder zur Schwerkraft. Der Client, der neben der 3D-Darstellung auch alle Standard-Bedienelemente enthält, verbindet sich zum Core. Was F.EE anders macht: Mehrere Clients können sich zu einem Core verbinden. So arbeiten mehrere Anwender parallel an einem Modell und können auch große Projekte effizient aufbauen. Die herstellerübergreifende Kompatibilität mit Robotern und SPS-Steuerungen wird über entsprechende Schnittstellen erreicht. Wem die Arbeit am Bildschirm zu zweidimensional ist, der wechselt auf Knopfdruck mittels VR-Modul in die Dreidimensionalität und taucht via VR-Brille in die Simulation ein. „Näher“ an die Realität und damit an Bauteilgrößen oder Abstände kommt man als User kaum.
Problemlöser für alle Akteure: fe.screen-sim
Vorausdenkend zeigt sich F.EE auch beim Daten-Handling. Die Simulationssoftware fe.screen-sim ist für große Datenmengen ausgelegt und garantiert die Datendurchgängigkeit der verwendeten Systeme verlustfrei. Zudem bietet fe.screen-sim durch den Funktionsumfang eine effiziente Nutzung aller Daten für die Modellerstellung und sichert die durchgängige Datenaufbereitung sowie -strukturierung während des gesamten Engineering-Prozesses.
Für Maschinen- und Anlagenbauer, OEM oder industrielle Fertiger Meilenstein und Paradigmenwechsel zugleich: Nehmen die Flexibilitätserfordernisse zu, sichert fe.screen-sim – verglichen mit anderen Applikationen – eine schnelle Änderung von Produktions- und Anlagenparametern. Die validierte Software für SPS, Roboter und andere gekoppelte Systeme lässt sich in der Anlage „einspielen“. Die schnelle Anpassung von Parametern bzw. das Herstellen von Situationen im virtuellen Modell ist ein entscheidender Vorteil im Vergleich zu einen Voraufbau oder der realen Inbetriebnahme. Anwender agieren von der Erstinstallation bis zur Außerbetriebnahme einer Anlage flexibel und damit wirtschaftlich.
Globale Gegenwart: Flexibilität ist Trumpf
Schon heute nutzt die Industrie das virtuelle Simulationstool und senkt Aufwände bei der Anlageninbetriebnahme. Neben sehr kostenintensiven Erst-Inbetriebnahmen erweisen sich immer häufiger geopolitische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen als Treiber für industrielle Fertiger, die sie zwingen schneller, adäquater und mit hoher Qualität auf (veränderte) Kundenbedürfnisse einzugehen. Weiteres Problem der Gegenwart: Die Variantenvielfalt bei Bauteilen nimmt zu, während die Stückzahlen häufig geringer werden. Faktoren, die neben mehr Flexibilität in der Produktion auch eine zunehmende Vernetzung erfordern, um leistungsfähiger, innovativer und schneller produzieren zu können. Auch hier denken die Entwickler bei F.EE voraus mit dem Ziel, zunehmend komplexeren Wertschöpfungsketten etwas entgegen zu setzen. Das Simulationstool fe.screen-sim wird zukünftig Flexibilität durch Integration künstlicher Intelligenz (KI) und selbstoptimierender Systeme sichern. Industrielle Fertiger, Logistiker und Großanlagenbauer haben mit fe.screen-sim eine Klammer, die sich von der Planungsphase einer Anlage bis zu ihrer Außerbetriebnahme über den gesamten Lebenszyklus spannt. Das wird einen bedarfsgerechten Anlagenbetrieb und damit eine signifikante Beeinflussung der Total Cost of Ownership ermöglichen.
Zeitnahe Zukunft: Virtualität und Künstliche Intelligenz
Bis heute halten sich F.EE Ingenieure an Henry Fords Credo und machen mehr, als Kunden erwarten, Märkte fordern oder Trends empfehlen. fe.screen-sim kommt bei der virtuellen Inbetriebnahme von Neuanlagen zum Einsatz und ist beim Umbau von Anlagen wertvolles Tool für die Validierung und (Wieder-)Inbetriebnahme von Bestandsanlagen. Fehler oder Abweichungen während der virtuellen Inbetriebnahme werden rechtzeitig erkannt. Zudem gelingen das Suchen und Finden von Lösungen oder Verbesserungen mit dem Ziel einer zügigen physischen Inbetriebnahme, einem schnellen Ramp-on bzw. einem reibungslosen Anlagenbetrieb.
Zudem nutzen Ingenieure das Simulationstool, um eigene Ideen zur Maschinen- und Prozessoptimierung auf ihre Machbarkeit zu prüfen – Funktionalitäten, die es bis vor wenigen Jahren nur in der Vorstellung gab.
Jetzt bringt KI noch mehr Dynamik in die Industrie und damit auch in die virtuelle Inbetriebnahme (VIBN): Verhältnismäßig einfach realisierbare Funktionen sind umgesetzt und könnten in zukünftige Releases implementiert werden. Anwender können Chatbots nutzen, die intuitiv schnelle und einfache Informationen – z. B. in Anleitungen – verfügbar machen. Chatbots für die Spracheingabe werden folgen. Gerade beim Erstellen komplexer Modelle birgt das Potenzial, da manuelle Eingaben entfallen können. Die Kombination von KI und automatisierter Modellerstellung über die API birgt vor allem für die Modellgenerierung hohes Potenzial.
Der so genannte „digitale Schatten“ ist ein weiterer vielversprechenden Ansatz: Bald sollen industrielle Fertiger und Dienstleister ihr digitales Modell als „digitalen Schatten“ parallel zur physischen Anlage betreiben. Das digitale Modell bezieht dann kontinuierlich Daten aus der physischen Anlage. Wo nimmt die Wahrscheinlichkeit von Problemen zu? Wann ist mit ungeplanten Anlagenstopps zu rechnen? Fragen wie diese lassen sich prognostisch beantworten und helfen bei der Optimierung von Prozessen und damit bei der kontinuierlichen Verbesserung von Leistung, Effizienz und Sicherheit einer Anlage.
Über KI-Algorithmen lassen sich bald die optimalen Betriebsparameter für Anlagen und Systeme ermitteln sowie proaktive Wartungen planen. Mit der offenen Systemarchitektur ermöglicht fe.screen-sim die Integration von KI-Algorithmen. Mit dem Software Development Kit (SDK) und dem Application Programming Interface (API) haben Anwender eine optimale Infrastruktur, um Daten aus dem Modell zu extrahieren und in das Modell zu übertragen. Mehr noch: flexible Schnittstellen erleichtern die nahtlose Integration KI-gestützter Funktionen in den virtuellen Inbetriebnahme-Prozess.
Ausblicke und Einblicke
Der Wille, fe.screen-sim auf das nächste Level zu heben, ist da. Die Ideen auch. So machen sich die Entwickler von F.EE bereits heute Gedanken, welchen Stellenwert KI für das Simulationstool hat, wenn es um die automatisierte Generierung und damit das Erzeugen von Anlagenmodellen geht.
Auch in der – bis dato aufwendigen – Erzeugung von Testdaten für virtuelle Modelle zeigt sich Potenzial. Auf lange Sicht wird die Kombination aus KI und Know-how dazu beitragen, diesen Prozess zu beschleunigen. Die Idee: Über die Daten fehlerhafte Messungen und Sonderereignisse simulieren, um verschiedene Szenarien der Anlage zu testen und zu verifizieren. Weiterer Punkt: die Optimierung virtueller Anlagen. Das fe.screen-sim der Zukunft wird die Kopplung selbstoptimierender Systeme und damit die deterministische Ermittlung der optimalen Position für Roboter in Verarbeitungszellen zum Standard machen. Schon heute profitieren einige F.EE-Kunden davon. Möglich macht es KI, die künftig auch Daten zur MTM-Optimierung und -Ermittlung verarbeiten kann.
Ein weiteres Dilemma, das KI im Simulationstool lösen könnte: Die Überprüfung von Anlagen nach Veränderungen. Sind diese Checks bis dato mit Risiken behaftet, werden KI-Systeme die automatisierte Verifizierung von Modellen durch Erzeugung von Test-Szenarien (aus virtuellen Modellen) entscheidend vereinfachen. Stichwort Effizienzsteigerung und Qualitätssicherung: Die Analyse von Signalen und Zuständen durch KI ermöglicht die Planung von Wartungszeiträumen in Abhängigkeit von Bauteiltoleranzen/Produktabweichungen. Henry Ford hätte seine Freude gehabt: Für die Entwickler von fe.screen-sim sind das nämlich nur einige Themen auf der Entwicklungs-Roadmap.
Der Autor Werner Pospiech ist Vertriebsleiter für Industriesoftware (fe.screen-sim) bei der F.EE GmbH
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